Der Flug des Raben

CN: Depressionen, Drogen, Gewalt, eventuell weitere…


Mit einem Seufzen betrat ich meine kleine Kammer hier in diesem Kloster am gefühlten Ende der Deres. Während ich eine Mischung aus Rauschkraut und anderen duftenden Kräutern zum räuchern vorbereitete, suchten sich meine Gedanken ihre eigenen die Seele quälenden Wege. „Ach Bishdariel, du weißt wie sehr ich den Menschen helfen möchte, den Menschen die wirklich Leiden und unsere Dienste nicht als eine Art Erholungsurlaub ansehen. Es ist ja nicht so, dass ich kein Mitleid für die gequälten Seelen hier habe, oh Bishdariel du hast mich doch gesegnet und mich für mehr auserkoren als die Behandlung suchtkranker, depressiver Granden Sprösslinge. Ja da ist Estrella, aber ich weiß nicht ob ich es wirklich schaffe ihr zu helfen...“ An die Decke starrend lag ich auf meinem Bett während der süßliche schwere Duft der Räuchermischung sich in der Kammer ausbreitete. Ich atmete mehrmals tief ein und wieder aus. Ich hatte ja eigentlich vor meine freie Zeit über die Mittagsstunden zu nutzen, um nach den Sitzungen von heute morgen etwas zur Ruhe zu kommen, stattdessen geriet ich selbst mehr und mehr ins Grübeln.

Mich auf die Seite drehend, ziehe meine Beine an und beobachtete wie der Rauch aus der kleinen Räucherschale empor stieg. Die letzte Sitzung beschäftigte mich deutlich mehr als sie es sollte, so gibt es doch gewisse parallelen zu meiner eigenen Geschichte. Meine Augen füllten sich mit Tränen als die Erinnerung an meine eigene Kindheit wieder hochkamen, die Erinnerungen an ihn, meinen Erzeuger, Mörder meiner Mutter. Die schmerzhaften Erinnerungen an die Nacht als er im Suff und Rausch meinte ich sei zu weibisch und bräuchte gewisse Körperteile ja nicht.... wie meine Mutter versuchte mich vor seinen Ausbrüchen zu schützen.... letztendlich vergeblich...

Ich versank in meinem eigenen Schmerz und der Trauer Wie lang ich in diesem Zustand verweilte weiß ich nicht mit Sicherheit. Eine Bewegung auf dem Bett holte mich irgendwann ein wenig zurück in die Gegenwart. Ich spürte wie mir eine Hand liebevoll über den Kopf streichelte, dies konnte nur Vio sein, vermutlich meine einzige Freundin hier. „Ich hab mir schon sorgen gemacht ob ich dir nicht zu viel zumute als ich Irato in deine Obhut gegeben habe.“ Ich setzte mich auf und wischte mir die die Tränen aus den Augen. „Sie heißt Estrella... sie hatte nicht das... Glück... welches ich hatte.“ Bei dem Wort Glück speie ich förmlich meine Verbitterung über den Umstand aus, dass ich einer Verkrüppelung meine relative Unauffälligkeit zu verdanken habe. Estrella, fast erwachsen, wird es wohl nie einfach haben. Erneut nahm ich wahr wie meine Augen sich mit neuen Tränen füllten. Mich in ihre Arme nehmend, versprach Vio mir wir würden heute Abend reden und sie würde die Psychodramagruppe heute alleine Leiten. Nachdem Vio meine Kammer verlassen hatte, lehnte ich mich an die kühle Wand und umschlang meine Beine eng mit den Armen. Die Räuchermischung war längst verglüht und in dem Schälchen befand sich nur noch die zurückgebliebene Asche, der Duft hatte sich ebenfalls fast verflüchtigt. Mein Blick wanderte etwas ziellos durch die Kammer. Mich selbst fragend was mir denn guttun könnte viel mein Blick auf meinen Zeichenblock und die Kohlestifte, ein echter Luxus den ich wohl auch nur aufgrund meiner Weihe genießen kann. Noch etwas antriebslos zwang ich mich zu meinem kleinen Schreibpult und sammelte mein Zeichenzubehör zusammen.

Als ich aus dem Kloster trat und die Sonne in meinem Gesicht spürte besserte sich meine Laune bereits merklich. Gegenüber beim Speisesaal hörte ich wie einige der jüngeren Patienten mit einander scherzten und es schien ihnen dem Vernehmen nach grade recht gut zu gehen. Ich verließ das Gelände des Klosters und lief die wenigen hundert Schritt zu der Stelle mit den großen Felsen und dem kaskadierendem Wasserfall, mit dem intensiv azurblauem Wasser. An meinem Lieblingsplatz ,einem großen flachen Felsen etwas Abseits unter einem großen Baum, ließ ich mich nieder. Etwas unschlüssig was ich zeichnen wollte ließ ich meine Gedanken streifen und versuchte mich an schönes zu erinnern. Wie den Tag meiner Initiation durch Bewahrer Kalando, etwas was ich mich ohne Fiara und Elodia sicher nie getraut hätte und mir vermutlich auch verwehrt geblieben wäre. Den Block beiseite legend, lies meinen Blick über den idyllischen Ort streifen und lauschte den Geräuschen des Dschungels um mich herum.Ich summte leise die Melodie aus der Zeit im Waisenheus, als Leona die anderen Mädchen im Waisenheus quasi zwang mich mitspielen zu lassen und mich so wie ich war einfach akzeptierte.

Kobold, Kobold komm zum Spiel

Hüpf und spring zum großen Ziel

Tanz und bieg dich

Dreh und wieg dich

Von Feld zu Feld

Im Kreis beweg dich

Tsa Vandemecum, 3. Auflage, Seite 60

Eine spannende Zeit, in der ich nicht nur anfing meine Probleme wirklich zu bewältigen und somit auch an meinem Selbstbewusst sein arbeiten konnte sondern auch eine Zeit in der ich mehr und mehr Freunde fand. Allerdings stand ich bei vielen Dingen doch immer etwas Abseits, vielleicht führte dies auch dazu, dass ich für einige der anderen Kinder mehr und mehr zu einer Ansprechperson wurde, ich hätte ja den Blick von außen. Ja auch damals war sicher nicht alles perfekt, wie Ramon und seine Clique die kaum eine Gelegenheit ausließen sich über mich lustig zu machen oder schlimmeres. Dies war dann auch die Zeit in welcher ich wieder häufiger das Kloster der göttlichen Genesung in Al'Anfa aufsuchte, jenes in dem auch meine Seele wieder ihre Ruhe wieder fand. Ich fing zunächst an die Patienten zu besuchen und für diese Spieleabende zu organisieren als ich dann noch anfing mich den Akoluthen aufzudrängen um ihnen Arbeit abzunehmen. Fiara blieb dies natürlich nicht verborgen und so nahm sie mich zur Seite und schlug mir vor ich solle wie die anderen erst einmal eine Zeit als Akoluthin dienen allerdings würde ich dann auch mehr Aufgaben bekommen und in den Tagesablauf eingeplant werden. Ich weiß noch wie ich vor lauter Freude um sie herum gesprungen bin als sie mir diese Möglichkeit bot, so konnte ich dem Kloster wenigstens ein wenig was zurück geben.

Ich war nicht ganz ein Jahr Akoluthin im Kloster und es war einige Wochen nach meinem 15. Tsatag, als ich allen Mut zusammen nahm und Fiara um ein Gespräch bat. Als ich dann nervös vor ihr stand und vor mich hin stammelte ob es eine Möglichkeit für mich gäbe mich gänzlich in den Dienst an Boron zu stellen, eine Novizin nein eine Behütete zu werden. „Ich hatte schon befürchtet du würdest deine Angst zu fragen nie überwinden.“ waren ihre Worte. Ich schmunzelte bei diesen Gedanken, nahm meinen Block und fing an die Szene wie ich als junge Akoluthin um Fiara herum gesprungen bin, zu malen. Während meiner Zeit als Novizin war es dann nicht mehr ganz so leicht, zumal als kleiner Orden nicht mehr jeder Aspekt meines Geweihtenseminars hier im Kloster durchführbar war. Eben schon gar nicht hier in Al'Anfa. Wie ich später erfuhr hatte sich Bewahrer Kalando bis fast hoch zum Patriachen für mich stark gemacht und mit seiner Vehemenz dafür gesorgt, dass man mir überhaupt gestattete die Novizen Ausbildung mit den Novizen der Kirche des gekrönten Raben absolvieren durfte. So waren es auch grade die älteren Boroni die meine Außenseiterstellung weiter verschärften, ich meine ich wurde schon seit Jahren von allen nur noch Dari gerufen und die meisten hielten mich ohnehin für ein mageres Mädchen, die Ausbilder bestanden natürlich auf meinen in der Verwaltung vermerkten Namen, Orelio Lacrenza, ich wollt mich jedes mal übergeben wenn ich den Namen hörte. Novize Orelio Lacrenza! Ich will gar nicht wissen was passiert wäre hätte ich mich dagegen aufgelehnt und gesagt, das heißt Novizin Dari! Trotz der Widrigkeiten in meiner Ausbildung bekam ich jedoch am Ende meine Weihe und meinen Ordensnamen Dari Räblein. Der wohl schönste Tag in meinem Leben und selbst die alten Boroni in der Stadt des Schweigens mussten zugeben, dass Bishdariel oder gar Boron selbst mich gesegnet haben mussten.

Den Kohlegriffel beiseite legend betrachtet ich mein Werk, sicher nicht mein bestes aber die Szene zauberte mir auch in diesem grau schwarz der Kohle ein Lächeln ins Gesicht. Ich legte auch meinen Block bei Seite und blickte mich um ob ich auch tatsächlich alleine war, denn meine Mal Pause wollte ich nutzen um mich in dem azurblauem Wasser zu erfrischen. Da ich niemand erblickte vor dem ich mich schämen würde, was einfach jeder gewesen wäre, streifte ich die schwarze Seidenrobe ab und bedankte mich kurz darauf im erfrischendem Nass bei Effert für seine Gaben. Ich tauchte ab und schwamm einige Züge unter Wasser, viel angenehmer als damals als ich bei meinem ersten Rabenflug die Zeit außer acht ließ und glücklicherweise nur in den Hanfla stürzte als Liturgie endete. Der darauffolgende Spießrutenlauf durch die Stadt zurück ins Kloster ist wohl eines meiner peinlichsten Erlebnisse. Ich weiß noch, dass ich an einem Tuchstand einfach eines griff und mitnahm, genau genommen ja klaute, mir umwarf während ich weiter Richtung Kloster rannte. Phex hat sich an diesem Tage sicher ein wenig über mich gefreut. Am Kloster wartete schon lachend und meine Robe auf dem Arm Fiara und nahm mich in Empfang und verriet mir ihr sei es damals nicht anders ergangen und sie hätte einen ähnlichen Spießrutenlauf durch die Stadt hinlegen müssen. Als ich mir meine Robe überstreifte und das große Tuch dabei fallen ließ, schaute Fiara mich jedoch streng an, was mich nicken ließ „Ja, ich werde für das Tuch aufkommen.“ Ich weiß noch wie überrascht der Händler war als ich zurück kam und das geklaute Tuch nun bezahlen wollte, sicher hielt ihn meine Robe und vielleicht auch meine Erklärung davon ab mich wirklich zurecht zuweisen. Man sah ihm jedoch an das auch wenn ich nun bezahlen wollte er keinen Verständnis für mein Diebstahl hatte.

Nach einer weile kletterte ich wieder aus dem Wasser und nutze die letzten Strahlen der Praiosscheibe um mich zu trocknen. Als sie langsam hinter den Bäumen verschwand zog ich wieder meine Robe über, nahm meine Zeichenutensilien und begab mich gemächlich und guter Laune zurück Richtung des Klosters. Ich war erst wenige Schritte gegangen als mir auffiel, dass ich wohl die Neugier eines Raben erweckt hatte. Er flog immer wenn ich näherkam ein paar Bäume weiter und ließ sich wieder auf einem Ast nieder und schien mich zu beobachten und wenn es vielleicht auch auf die meisten Boroni etwas seltsam wirken würde, grüßte ich den Boten des Ewigen mit dem Boronsrad über meiner Brust. Ich war mir sicher, dass dies einer der beiden Raben war die auf dem Gelände des Klosters lebten und somit ja auch kein Unbekannter war, so viele Stunden wie ich schon damit zu gebracht habe die beiden zu beobachten. So ist es doch nur Gerecht wenn nun ich im Gegenzug beobachtet werde und es ist doch schön zu wissen das jemand da ist der über einen wacht. Ich war noch einige Schritt vom Tor des Klosters entfernt als sich innerhalb kürzester Zeit der Himmel in dicken Regentropfen entlud, wie fast jeden Nachmittag. Da fragt man sich doch wer auf die Idee kommt ein Kloster zur Heilung von seelisch Kranken mitten in einem Dschungel zu erreichen. Hin und wieder mal Regen ist ja ganz schön, das waren in Al'Anfa die Tage an denen der stickige Mief der Stadt wenigstens für ein paar Stunden weg gewaschen und die Luft viel reiner war und fast angenehm roch. Ich merkte heute war für mich ein Tag an dem ich den Nachmittagsregen willkommen hieß. Auch wenn der Regen recht kühl war und meine leichte Robe schnell voll gesogen an meinem Körper klebte und sich zunehmend kleine Bäche aus meinen Haaren über mein Gesicht, die Schultern und Rücken ergossen, schien der Regen heute etwas reinigendes zu haben, fast wie damals in Al'Anfa. Al'Anfa wie ich dich Perle des Südens doch vermisse. Wie ich es vermisse mit Leona durch die Straßen zu ziehen und einfach unbeschwerten Spaß zu genießen. Mich dazu bringen das Leben einfach zu genießen und Spaß zu haben, ja das kann sie. So wie damals als ich noch völlig erschöpft von meinem Weihritual war und sie mich überredete wenigstens in unsere Stammschenke das Simia zu gehen, “Du weißt doch wie dir alle für die Weihe viel Glück wünschten und du würdest sie enttäuschen wenn du nicht wenigstens mal mit ihnen anstößt.” Ja die Schenke Simia, ist einer meiner Lieblingsorte in Al'Anfa. Eine Schenke mit interessanten Leuten aus aller Welt, viele Künstler die in Al'Anfa ihr Glück suchen aber auch Gelehrte hin und wieder sind auch ein paar Magier der Akademie auf einen Tee und eine Hitze Debatte hier. Ich glaub ich hatte dort noch nie Langeweile. Jener Abend nach meiner Weihe war jedoch etwas besonderes für mich. Ich weiß noch das ungewöhnlich viele Fremde im Simia waren, ich meine es kam öfter mal vor das ein paar Matrosen sich hier her verirrten oder ein paar Abenteurer die auch oft spannende Geschichten zu erzählen wussten. Doch an diesem Abend war das Simia wirklich ungewöhnlich voll. Da ich nun schon einmal hier war und Leona in diesem Punkt nicht zu ließe, dass ich meine Meinung noch einmal ändere versuchte ich den Abend zu genießen, was mir auch gut gelang, vielleicht auch ein wenig zu gut. Jedenfalls wurde ich auch immer lockerer und ließ mich auch auf einen der Fremden. So zog er mich irgendwann zu sich auf dem Schoß und wollte mich küssen während sein Hand an meiner Brust wohl etwas suche was die Robe nicht kaschiert hatte, weil es einfach nicht da war. Ich weiß noch wie er mich grob von sich stieß, so dass ich über den schmalen Gang an den nächsten Stuhl geschleudert wurde. Der Fremde war mit einem Satz über mir und begann mich wüst zu beschimpfen. Ich wollte grad anfangen eine Entschuldigung zu stammeln um den Schlägen, die ich erwartete vielleicht noch zu entgehen, als der Fremde von drei anderen Gästen überwältigt wurde. Unsanft wurde er aus dem Gastraum befördert. Valeria die Wirtin des Simia und Leona kamen beide ebenfalls entsetzt von dem was sich zu getragen hatte, um mir wieder aufzuhelfen und sich zu vergewissern das ich unversehrt war. Von draußen waren Schläge und Tritte zu hören und ich meine, ich hörte mindestens einen Knochen brechen. Der Ausbruch der Gewalt endete. Stattdessen erklärte jemand, von dem ich es am wenigsten erwartet hätte, dem Fremden was er eigentlich gerade getan hatte. So führte Marboso, der meist grimmig schauende heimliche Aufpasser des Simia, in aller Ruhe aus “Dari die kleine die du durch den Raum geworfen hast ist nicht nur ein gern gesehener Gast hier im Simia sondern auch eine gute Freundin nicht nur für mich sondern den meisten hier und als wäre dies nicht genug dich den Wachen zu übergeben hast du das verfluchte Pech, dass sie eine Geweihte Borons ist wie dir vielleicht an der schwarzen Robe aufgefallen sein könnte. Du weiß was mit Leuten passiert die in Al'Anfa eine Geweihte des höchsten Gottes angreifen?” Ohne eine Antwort abzuwarten fuhr er fort “Erice, Tsablo seid so nett und erklärt dem Hauptmann was vorgefallen ist und das er sich bei weiteren Fragen zuerst an mich wenden soll. Jetzt schafft mir den Typen aus den Augen.” In der Schenke selbst war es still, es lauschten scheinbar alle so gebannt wie ich. Tränen fingen an mir die Sicht zu nehmen, aber nicht weil ich angegriffen wurde, sondern von Marbosos Worten und das viele der Stammgäste wie zur Bestätigung in meine Richtung nickten oder mir zu prosteten. An viel kann ich mich von diesem Abend nicht mehr Erinnern, ich weiß das ich noch eine gute wenn nicht sogar sehr gute Zeit hatte, doch legt doch mein Herr gerne den Schleier des Vergessens auch über die schönsten Erlebnisse und manchmal verbleibt nur der Funke eines schönen Gefühls zurück.

Fortsetzung folgt… leider ist meine Autorin sooo stink faul…