Kapitel 1

Stuttgart-Tübingen

Um 6 Uhr morgens war im Industriegebiet Steinlachwasen noch ziemlich tote Hose. Generell war dieser Teil Stuttgarts ziemlich ruhig, fast schon provinziell. Tübingen war eine alte Universitätsstadt gewesen, bevor der alles überwuchernde Sprawl von Stuttgart über das Neckartal gewachsen war und sich alles auf seinem Weg einverleibt hatte. Tübingen war zu einem bloßen Stadtteil von Stuttgart geworden. Universitätsstadt oder nicht, hatte Tübingen dann doch eine Anzahl kleinerer Firmen und Kons in petto, die hauptsächlich in der Automobilbranche als Zulieferer tätig.

Es gab aber auch Kons die es sich in Ihrer eigenen Nische gemütlich gemacht hatten und sich bisher gegen eine Übernahme gestemmt hatten

Zu einem dieser kleinen Kons Picasso war unterwegs. Picasso hieß eigentlich Hannes Häberle, aber er hasste seinen Namen,er war der Inbegriff des schwäbischen Spießertums. Als Jugendlicher war er einmal mit ein paar anderen in eine Galerie eingestiegen um das Geld aus der Kasse zu klauen. Das war ein ziemlich bescheuerter Plan gewesen und keine zwei Minuten später wurden sie vom Sternschutz kassiert. Seine Kumpels und er wurden böse zusammengeschlagen, wobei der Sternschutz sich vor allem auf die Orks in Ihrer Gruppe konzentrierten. Zwerge hatten einen etwas besseren Stand beim Sternschutz und deshalb kam er mit ein paar Hieben und Tritten davon. Während er in Handschellen auf dem Boden lag und in den Schmerzen badete,hatte er ein Bild gesehen das ihm nicht mehr aus dem Kopf ging.

Später hatte er herausgefunden wer diesen Bild gemalt hatte. Seitdem nannte er sich überall Picasso. Der Name klang einfach besser als Hannes Häberle.

Picasso war als Reinigungskraft bei der Erbe Elektromedizin GmbH angestellt. Er war stolz darauf, das er es aus den Stuttgarter Slums herausgeschafft hatte und eine SIN besaß. Er hatte sich nach den Ding in der Galerie aus allem herausgehalten: keine Gangs, keine illegalen Sachen irgendeiner Art. Das war schwer gewesen, alle seine damaligen Freunde waren früher oder später entweder in eine Gang eingetreten oder andersweitig kriminell geworden. Picasso nicht. Er hielt sich mit anderen Jobs über Wasser, hatte in einer Kneipe, während der einen Stunde die geschlossen waren geputzt, hatte als Zeitungsausträger in einem der besseren Viertel gearbeitet. Seit 2 Jahren war er nun als putze bei Erbe. Das war der beste Job den er je hatte. Er bekam eine SIN und konnte sich eine kleine Wohnung in einem Viertel im Stuttgarter Süden leisten, wo man nicht direkt um seine Wertsachen erleichtert wurde sobald man einen Schritt auf die Straße machte. Er verdiente sogar genug um sich alle paar Wochen einen Besuch bei Sandy, einer netten kleinen Elfe, zu leisten. Alles in allem war er zufrieden mit sich und seinem Leben.

Picasso betrat das Gebäude durch den Hintereingang und begrüßte den diensthabenenden SIcherheitsbeamten.

“Morgen, Karl, wie war die Nacht?”

“I hob a Bande vo Fetza dr Arsch versohlt”

“Was?” Picasso verstand Schwäbisch zwar aber Karl war eine Herausforderung.

“Ich habe eine Bande von Shadowrunnern den Hintern versohlt” Karl betonte jedes Wort übermäßig, sodass sein schwäbischer Akzent extra stark zur Geltung kam.

“Ah” antworte Picasso und lachte. Als ob der kleine, dicke Norm jemanden den Arsch versohlen könnte.

Er verabschiedete sich und machte sich auf den Weg zu dem Verschlag in dem seine Utensilien gelagert waren.

Der restliche Tag war so langweilig wie selten. Als Picasso um 8 Uhr abends Feierabend hatte machte er sich auf den Weg nach Hause. Er spielte mit dem Gedanken noch bei Sandy vorbei zu schauen und bog in eine Gasse ab, die ihn in die Nähe der Kneipe bringen sollte, wo Sandy ihre Dienste anbot. Wenn er Glück hatte war sie frei, ansonsten wollte er sich ein, zwei Bier genehmigen. Er stieg gerade über einen Müllhaufen, als er ein schwaches Stöhnen hörte. Er wollte sich davon machen, damit er nirgends reingezogen wurde. Picasso setze zu einem Sprint an, aber bevor er losrennen konnte, packte ihn eine Hand am Knöchel. Er fiel der länge nach auf die Nase. Picasso schaute an sich herunter und sah das hässlichste Orkgesicht das er je gesehen hatte. Der Ork hatte verchromte Hauer und trug eine verspiegelte Brille.

Er blutete aus ziemlich fiesen Platzwunden am Kopf.

“Warte!” flüsterte der Ork. “Lass mich!” schrie Picasso. Doch die Hand war unnachgiebig an seinem Knöchel. Picasso holte aus und trat dem Ork ins Gesicht. Er spürte wie einer der Hauer abbrach, doch der Ork ließ nicht los. Die andere Hand des Orks kam vor. Piccasso sah das der Ork etwas in dieser Hand hielt. “Nimm!” hauchte der Ork. “ Nein” wehrte sich Picasso und versuchte dem Klammergriff um seinen Knöchel zu entkommen. “Nimm!” flehte der Ork. Etwas in seinem Blick ließ Picasso innehalten. “Drek” dachte er.

Zu dem Ork sagte er: “ Okay, aber lass bitte mein Bein los.”

Picasso spürte wie der Griff um seinen Knöchel lockerer wurde. Picasso sprang auf und rannte los.

Nach zwei Schritten blieb er stehen und drehte sich um.

Der Ork lag ausgestreckt da und rührte sich nicht mehr. Die Hand die das etwas gehalten hatte, lag ausgestreckt und ruhig da.

“Hey Chummer, alles gut bei Dir” rief Picasso. Er trat näher. Der Ork rührte sich immer noch nicht. Picasso ging noch näher heran. Jetzt sah er das nicht nur das Gesicht des Ork über aussah, auch der Rest war ziemlich ramponiert. Die Beine des Ork waren auf unnatürliche Weise verdreht und eine Blutlache hatte sich darunter gebildet. am Körper des riesigen Orks sah er viele Löcher in der Felcktarnjacke.

Picasso stieß den Ork mit dem Fuss an. Der Ork rührte sich nicht. Erleichtert seufzte Picasso. Der war tot. Als er sich umdrehen wollte hielt er inne. Der Blick des Orks ließ ihn nicht los, dieses Flehen in den Augen. Er wandte sich wieder dem Ork zu. Seine Augen blieben auf der Hand des Orks haften. Picasso bückte sich und atmete tief durch. Mit einem Ruck stieß er die Hand des Orks beiseite. Er griff sich schnell was der Ork in der Hand gehalten hatte und rannte.

Die Lust auf ein Bier und mehr war ihm gründlich vergangen.

Zurück in seiner Bude, einem Appartment der Kategorie 1 Zimmer, keine Küche, kein Bad, warf er das kleine Speichermodul auf den Tisch und holte sich ein Soy-Bier aus dem Kühlschrank.

Was sollte er jetzt tun?