Die Insel Lonaite
Ostholm ist eine richtige Stadt! Umgeben von grünen Weiden und wogenden Feldern herrscht hier reges Treiben. Große Frachtsegler liegen hier vor Anker und große Ballen Wolle, fassweise Wein, Obstkisten und anderes kommen mit ihnen in die Stadt oder verlassen sie wieder. Hier war es ein leichtes unsere Ausrüstung zu erneuern.
Noch in anderer Hinsicht erschien Ostholm ein guter Aufenthaltsort: der Wirt eines örtlichen Gasthauses erzählte mir von einer nahen Insel, auf der sich Ruinen befinden, die noch aus den Zeiten vor dem Krieg stammen. Die Einheimischen nennen die Insel Lonaite. Ich vermutete die Elben nannten sie Lóna i lóte – Insel der Blüten und erhoffte mir alt elbische Hinterlassenschaften.
Ich konnte meine Reisegefährten überzeugen, die erwähnten Ruinen in einer Expedition zu erkunden. Erst waren sie skeptisch, aber mit der Verlockung von Schätzen vor Augen waren sie dann schlussendlich doch bereit mir zu folgen. Darum bezahlten wir einen örtlichen Fischer uns überzusetzen.
Der alte Wachturm
Der erste Eindruck auf der Insel war allerdings enttäuschend. Die Grundmauern von ein paar einfachen Häusern ohne jede Eleganz waren alles, was wir in der Nähe des Strandes fanden. Allerdings erhebt sich auf dem zentralen Hügel eine weithin sichtbare Turmruine. Da der Tag nicht einige lichte Stunden hatte, zogen wir los, diesem einen Besuch abzustatten.
Dieser Besuch erwies sich als Desaster. Kaum angekommen stürzten sich aus großer Höhe Harpyien auf uns herab. Genauer nahmen sie allein mich ins Visier. So kann mir niemand vorwerfen, dass ich unter ihrem gemeinsamen Gewicht zu Boden ging. Noch bevor jemand reagieren konnte, krallten die Biester in mein Gesicht und meine Welt wurde schwarz. Dass ich diese Zeilen schreiben kann, verdanke ich nur Gromdan, der mich später mit seiner Magie erneut die Schönheit des Ozeans erblicken lies.
Wie ich am nächsten Tag erfuhr, hatten meine Kameraden die Harpyien alle erschlagen und wollten nun den Turm näher in Augenschein nehmen. Leider erwies dieser sich als menschliches Erzeugnis und gehört wohl zu einer Festungsanlage. Ich erwartete, ab dieser Erkenntnis nicht mehr neues Wissen über meine elfischen Vorfahren zu erhalten.
Die unterirdische Halle
Außer dem Turm gab es weitere Gebäude auf dem Hügel. Als wir diese durchstöberten, stellten wir fest, dass alles unterirdisch mit Gängen und Kellern verbunden ist. Einer dieser Keller ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert:
Einerseits hat sich jemand die Mühe gemacht den Raum sorgfältig zu Fliesen, kein Haar passt in die Fugen. Andererseits wurde aber willkürlich und stümperhaft um eine runde Abdeckplatte in der Mitte des Raums herum allerlei Schutzzeichen und magische Symbole auf den Boden gekritzelt. Die Anordnung ist völlig wirr und entbehrt jedem Sinn, sie können gar keine Wirkung zeigen.
Natürlich fing Bron sofort an den Abdeckstein heraus zu stemmen. Uns blieb gerade genug Zeit eine magische Sondierung durchzuführen. Aber was immer der „Künstler“ abwehren wollte, schien nicht mehr da zu sein.
Unter der Abdeckplatte kam eine Wendeltreppe in die Tiefe zum Vorschein. Dies wiederum führte uns in eine säulengetragene Halle. So etwas hatte ich wirklich nicht erwartet. Der ganze Raum hatte ein interessantes Arrangement. Die drei Säulen, in etwa zu humanoiden Gestalten geformt, stützten in einer Reihe mittig angeordnet das Gewölbe. Wie sich später herausstellte waren sie bewusst auf eine Nische in der linken Wand ausgerichtet, so als würden sie den Baum der dort wuchs mit ihren steinernen Blicken beobachten.
Mit jedem Schritt den wir in die Halle hinein taten, wirbelten wir einen merkwürdigen, roten Staub auf, der überall an den Wänden klebte und den ganzen Boden bedeckte. Einen Moment dachte ich, er würde mir die Augen verkleben, denn ich sah überall in der Luft schlieren und sich zusammenklumpende Schemen. Als aber auch der Staub auf dem Boden sich plötzlich auf einen Punkt zubewegte und verdichtete, wurde die Gefahr ersichtlich. Eine massige, übermannsgroße, formlose Gestallt bildete sich heraus und stürzte sich sofort mit der Wucht eines Bären auf uns nieder. Bevor wir noch wussten was geschehen war, zerfloss das Wesen wieder nur, um sich hinter uns gleich wieder zu verfestigen.
Beim dritten Mal war ich vorbereitet und zerfetzte diesen Dæmon in einem magischen Mahlstrom den ich der Erde um uns herum entriss. als er gerade feste Form annahm. Während ich mich danach sammelte erschien am anderen Ende der Halle ein weiterer dieser Blutstaubdämonen, aber meine Gefährten hatten begriffen was zu tun war und droschen auf ihn ein, wann immer er sich verfestigte. So hatten wir bald Ruhe vor den Monstern.
Bei genauerer Erkundung des Raumes stellte sich heraus, dass der Baum eigentlich eine Art überdimensionierter fahlleuchtender Pilz war, der aus einem Brunnenschacht heraufwuchs. Ein solches Gewächs hatte ich bis dahin noch nie gesehen, noch davon gelesen. Selbst der Zwerg an meiner Seite konnte es nicht identifizieren, obwohl er doch in den Tiefen Zuhause ist. Da die Gestaltung der Säulen uns wie ein Hinweis erschienen, ist Gromdan durch den Brunne nach unten geklettert um nach verborgenen Geheimnissen zu suchen. Was er fand waren Runen der Zwerge mit denen eine Stelle an der Wand markiert war.
Monumentale Zwergenkunst
Nachdem wir die Wand aufgebrochen hatten, betraten wir eine offensichtlich zwergische, sehr weitläufige Anlage, tief in den Fels des Untergrundes hineingeschlagen. Mindestens drei Ebenen, jede davon riesigen Ausmaßes. Stundenlang sind wir durch die breiten Gänge gewandert um Zeugen der Baukunst und Kunstfertigkeit von Zwergen zu werden.
Die oberste Ebene war vollständig leergeräumt. Schwer zu sagen, aber ich glaube, hier waren Wohnräume, Werkstätten und Arbeitsbereiche. Die zweite Ebene ist hingegen voller Wunder. Ein Raum war mit einer detaillierten, lebensgroßen Nachbildung Waldes aus Stein gefüllt. An anderer Stelle hatten die Erbauer eine riesige Mechanik aus Zahnrädern hinterlassen. Zum dritten fanden wir eine begehbare Landkarte mit hoch aufragenden Bergen und Wäldern aus unzähligen winzigen Bäumen, die die Hänge bedecken.
Die dritte Ebene war offensichtlich unvollendet. Trotzdem zeichnete sich das handwerkliche Können deutlich ab. Erst recht im Vergleich zu den meterbreiten willkürlich verlaufenden Tunneln die Felsbeißer überall hinterlassen haben. Einen dieser riesigen Würmer fanden wir aufgeschlitzt in einem der Gänge liegen. Unheimlich, darüber nachzudenken, was jagt auf so einen Kollos macht.
Ein plötzliches Beben des Bodens kurz nach diesem Fund macht uns klar, wie tief wir unter der Erde waren und uns wurde ganz beklommen zumute. Als dann auch noch überall klackende Geräusche durch die Gänge halten, beschlossen wir eiligst umzukehren.
In dem steinernen Wald auf der der zweiten Ebene wurden wir aber von, ich weiß nicht recht wie ich diese Dinger benennen soll, pferdegroßen Insekten überfallen. Sie hatten sechs Beine von denen die vorderen wie Sensenblätter geformt waren und dreieckige Köpfe aus deren Mäulern beständig ein grünliches Sekret troff. Das Klackern ihrer harten Beine auf dem Stein hatte uns bis hierher verfolgt. Trotz ihrer unheimlichen schnellen, ruckartigen Angriffe schafften wir es aber die Viecher weitestgehend unbeschadet zurückzuschlagen und eilten danach schleunigst zur Oberfläche zurück.
Oben angekommen fanden wir uns in dunkler Nacht wieder. Das einzige Licht am Himmel spendete ein neuer, roter Stern mit einem feurigen Schweif, der im Westen stand. Welch düsteres Omen!
Ein Character von Taarion aus Den Verbotenen Landen.
Dieser Beitrag ist unter CC-BY-SA lizensiert.
Die Font für die Überschriften ist Gondola SD.