Statuen

„Komm!“ Sprach sie und deutete mir an ihr durch das Stadttor zu folgen. Wir schritten durch die schwarzen Stadtmauern, die in der Hitze zu flimmern schienen. Das erste, was mir ins Auge fiel, waren die unzähligen Statuen die scheinbar willkürlich überall in meinem Blickfeld standen. Meine Begleitung war stehen geblieben und ich bemerkte, wie sie meine Reaktion beobachtete.

An der Statue, die mir am nächsten stand, konnte ich die meisterhafte Arbeit des Bildhauers erkennen. Wie detailliert, wie lebensecht. Ich trat näher und hielt mit der Hand inne kurz bevor ich die Statue berührte. Das Gefühl der Mann würde jederzeit zurück ins Leben springen machte sich in mir breit.

Sein Gesicht war traurig, kraftlos, sein Blick leer. „Wahrhaft meisterliche Kunstwerke!“ rief ich aus. Sofort hatte ich Lust selbst Hammer und Meißel auszupacken. Die Beklemmung und die Steifheit, die mir von der anstrengenden Reise in den Knochen steckte, fielen von mir ab.

Alle Statuen wiesen die gleiche Hingabe zu lebensechten Details auf. ‚Waren all diese Kunstwerke von der gleichen Person geschaffen?‘

Ich wandte mich an meine Begleiterin „Wer hat all das erschaffen? Warum habe ich von so einem Meister noch nie gehört?“

Ihr Blick verriet, wie unangenehm meine Frage wohl war.

Nach einer Pause begann sie leise: „Das sind keine Statuen, das sind alles Menschen, die hier irgendwann ihren Antrieb verloren haben…“

„Menschen?!“ Meine Begeisterung war schnell aus meiner Stimme verschwunden. „Du meinst, all diese Leute sind noch am Leben?“ Während ich sprach, wanderte mein Blick ziellos über die verteilten Skulpturen. Nein. Über die Einwohner dieser Stadt. Ich erkannte viele alte Menschen, manche mit fast friedlichem Ausdruck. Je jünger die Menschen waren desto verzweifelter wirkten sie. An einer Hauswand saß ein Kind in verschlissener Kleidung. Vor ihm eine Schale. Wie aussichtslos musste seine Lage gewesen sein, dass es so jung keinen Antrieb mehr gefunden hatte?

„Ob sie noch leben, weiß niemand hier“ holte mich die Stimme von Kazlane aus meinen Gedanken zurück. “Was genau ist hier passiert?” fragte ich, während ich mich weiter, zunehmend fassungslos umschaute. “Auch das weiß niemand so genau. Komm, wir gehen weiter.” Es war ihr sichtlich unangenehm sich hier aufzuhalten. ‘Warum hat sie mich dann eigentlich hier her gebracht?’ Ohne die Frage laut zu stellen nickte ich und folgte ihr weiter die Straße hinunter. Dabei bemerkte ich, dass wir scheinbar die einzigen lebenden Menschen hier in der Stadt waren. Auch am Stadttor hatten uns keine Wachen aufgehalten. Wir waren einfach durch das riesige, halb geöffnete Tor in der Mauer aus geglätteten Vulkansteinblöcken gelaufen. Aber auch diese Frage stellte ich nicht laut und sah mich auf unserem Weg weiter aufmerksam um.